Als Mama einmal unsichtbar war

Die Krebserkrankung der Mutter des Kindergartenkindes Hennie steht im Mittelpunkt dieses Bilderbuches, das von der Chemotherapie sowie dem Gesundwerden und der sich inmitten all dessen in einem starken Wandel befindenden Mutter-Tochter-Beziehung erzählt. Emotionen wird viel Raum gegeben, der Wut freien Lauf gelassen, die Angst davor, dass die Mutter sterben könnte, wird jedoch nicht explizit ausgesprochen.

»Krebs macht, dass irgendwie alles verschwindet. Eins nach dem anderen.« Zuerst die Wörter und fast gleichzeitig mit ihnen das Lachen. Kurz darauf verschwindet Mamas Kraft, dann der Appetit, danach alle Haare auf einmal und – an manchen Tagen – sogar Mama selbst. So beschreibt Julia Rosenkranz in personaler Erzählweise die Krebserkrankung der Mutter und bleibt dabei der Figur Hennie mit jedem einzelnen Satz ganz nahe. Sie wählt eine erklärende, leicht verständliche Sprache. Vorsichtige, umsichtige Worte – dennoch direkt und ehrlich – treffen einen Ton, der sich auch beim Vorlesen genau richtig anhört. Zusammen mit den Illustrationen von Nele Palmtag entsteht ein sehr konkretes Bild vom Leben der Familie. Wobei in vielen Szenen die Bilder die Erläuterungen und Erklärungen übernehmen. Während die Autorin beispielsweise die Worte Chemotherapie oder Onkologie nicht verwendet, zeigt die Illustratorin das Behandlungszimmer von innen: Mama und andere Patient:innen an der »Krebs-Maschine«, wo sie »ewig lang« sitzen, um »Krebs-Medizin« zu bekommen. Nele Palmtag kombiniert Buntstifte mit Aquarellfarben und etabliert ein unaufdringliches, schönes Violett als Leitfarbe, die sich über die gesamte Handlung zieht, vom Cover über den Vorsatz bis hin zu besonders emotionalen Momenten, in denen die Farbe in kräftigen Pinselstrichen die Buntstiftzeichnungen auch mal komplett übermalt. Wie dicke Regenwolken, denen als Pendant hoffnungsvolle Sonnenmomente folgen – später, wenn Mamas Haare wieder wachsen, das Lachen zurück ist und die »Krebs-Maschine futsch«.

→ Meine Rezension zu » Als Mama einmal unsichtbar war« wurde in der Print-Ausgabe von 1001 Buch. Das Magazin für Kinder- und Jugendliteratur 1/2024 auf Seite 66 publiziert.